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Der Überflieger

Publiziert von:

Hyrock Magazin, Matthias Mächler Fotos: Gian Marco Castelberg

September 2023





 

Mit 16 gründet er seine erste Firma, mit 32 wird er McKinsey-Partner, mit 39 beginnt er Sportarenen zu bauen: Wer ist David Speiser? Und was ist Topgolf?


















↑ Ein Schweizer mischt den Ruhrpott auf: David Speiser in der Topgolf-Arena Oberhausen. Nächstes Jahr folgt Wien, über-nächstes Mailand.



Sein Ex-Chef sagt über ihn: «Pro Generation gibt es vielleicht einen wie David. Einen, von dem man denkt, dass er McKinsey nachhaltig prägen kann und weiterbringen wird. Als er gekündigt hat, war ich gar nicht begeistert.»


Seine Ehefrau meint: «Das Gute ist: Mit David wird es nie langweilig. Aber es ist auch eine Herausforderung, mit ihm Schritt zu halten.»


Ein ehemaliger Klassenkamerad: «Er war schon damals anders. Als wir Mitschüler noch halbe Kinder waren, gründete er seine ersten Firmen.» Und sein Jugendfreund, Christian Jott Jenny (ja, der schillernde Gemeindepräsident von St. Moritz): «Zum Glück hat er jetzt zurückgefunden, wohin er gehört – ins Unterhaltungsbusiness!»


Es ist kurz nach 22 Uhr, David Speiser setzt mit breitem Grinsen zum Abschlag an. Die Frisur sitzt ebenso perfekt wie sein massgeschneidertes Jackett, überhaupt wirkt der 43-Jährige, als sei er gerade aufgestanden und nicht schon 16 Stunden auf den Beinen. Wusch – der Ball fliegt in die Nacht Richtung einer dieser farbig schimmernden Zielscheiben draussen auf dem Green.


Zwölf Punkte. «So geht das», lacht Speiser. «Jetzt du.»

Dank 14 Hochgeschwindigkeitskameras werden auf dem Bildschirm Flugbahn und Aufschlag exakt beschrieben; jeder Golfball ist mit einem Mikrochip ausgestattet. Topgolf ist ein Stück USA mitten im Ruhrpott, eine 40 000 Quadratmeter grosse, dreistöckige Unterhaltungsarena in Oberhausen bei Essen mit allem Schnickschnack, den man aus Amerika kennt. Überall Monitore, Bars, Animation, ein riesiger Screen mit Sportvideos,


Drinks servierende Roboter, Burger, Pizza, Nachos, und supergut gelauntes Personal,


wie es in unseren Breitengraden, sagen wir mal, zumindest nicht an der Tagesordnung ist. Der Standort ist clever gewählt: Fast vier Millionen Menschen leben in einem Umkreis von 30 Fahrminuten.

Sie alle sind potenzielle Topgolf-Kunden, denn Topgolf ist für die ganze Familie. 87 Prozent der Gäste haben mit Golfen als Sport nichts am Hut. Schon für Kids ab sechs gibt es lustige Spiele. Meistens sind es aber Gruppen junger Erwachsener, die hier zusammen Spass haben, dem Alltag entfliehen und die Arena zufrieden wieder verlassen. Brenzlige Situationen gab es seit der Eröffnung im Januar 2022 keine. An Spitzentagen kommen bis zu 2900 Leute, eine halbe Million pro Jahr, 40 Prozent sind

weiblich. «Soweit ich weiss, hat sich noch niemand wegen Topgolf scheiden  lassen», lacht Speiser und nimmt an einem geheimen Ort oben auf dem Dach endlich einen Schluck aus seinem Weinglas.

Nur: Wie um Himmels Willen kommt ein junger Schweizer dazu, ein solches Monsterprojekt überhaupt nur anzudenken, geschweige denn, es sich anzutun?



↑ An Spitzentagen bis zu 2900 Gäste: Die meisten spielen sonst kein Golf, 40 Prozent sind Frauen. Selbst Kinder kommen sofort klar mit Topgolf.


↑ Speiser und sein Manager vor Ort: Patrick Davis arbeitete zuvor zehn Jahre in Las Vegas und führte zuletzt die Lokale des Cosmopolitan.



Hört man sich in David Speisers Umfeld um, ist niemand wirklich erstaunt. Philipp Schnyder ging mit Speiser aufs Gymnasium, später an die HSG. Er sagt: «Wenn David ein Projekt begleitet, gibt es kaum Risiko. Gerade in der Umsetzung ist er extrem gut. Dank seinem schnellen Denken und dem breiten Wissen gelingt es ihm, alle möglichen Probleme zu antizipieren und Konflikte gar nicht erst entstehen zu lassen.


Bei jedem Problem hat er sofort eine klare Vorstellung, wie es zu lösen ist.


Und natürlich hilft ihm auch seine ausgeprägte Sozialkompetenz: Er kann es mit allen, ob Büezer oder Direktor.» Schnyder erzählt, wie Speiser schon im Gymi «gefühlt erwachsener» war als der Rest der Klasse. Dieser diskutierte mit den Lehrern auf Augenhöhe und entschied sich oft gegen den Ausgang, weil er Zeit brauchte für seine Firmen. «Er organisierte unsere Maturareise: Während andere Klassen mit dem Zug fuhren und in der Jugi schliefen, nahmen wir das Flugzeug und übernachteten im Fünfsternehotel. Irgendwie hatte er Airline und Hotel für einen Superrabatt gewinnen können.»

Schon früh investierte Speiser seine Profite in Liegenschaften. Nicht in der Schweiz, sondern im sonnigen Florida, wo es ihn schon immer hinzog und er heute einen Grossteil seiner Ferien verbringt. Neben Golfen und Wasser skifahren geniesst er es, mit der Familie Sportveranstaltungen zu besuchen, wie Basketballspiele, Base ball, American-Football. Als er drauf und dran war, einen Golfplatz zu kaufen, entdeckte er die Topgolf­ Arena und wusste sofort: Das ist es! Das will ich nach Europa holen. Ein Ort für alle, frische Luft, Spiel und Spass. Noch in derselben Woche führte er erste Gespräche mit der Lizenzhalterin und sicherte sich die Option für Zentraleuropa.

«Immer mehr junge Leute geben Geld für ein Erlebnis aus, statt auf Haus, Auto oder Ferienwohnung zu sparen. Ich war mir ziemlich sicher, dass es funktionieren wird.»



↑ Pro Tag fliegen rund 70 000 Bälle ins Green. Jeder ist mit einem Chip ausgestattet und wird von 14 Hochgeschwindigkeitskameras verfolgt.



Aber es gab einen Haken: Er hatte einen Traumjob. Und dort rechnete man mit ihm. Als 32-Jähriger war er zum McKinsey-Partner auf-gestiegen, so jung wie kaum ein anderer zuvor.

Claudio Feser, der Big Boss persönlich und eine der grossen Figuren der Schweizer Wirtschaft, hatte ihn als Mentor unter seine Fittiche genommen. Inzwischen war es fast schon eine Art Vater-Sohn-Beziehung. Also musste David Speiser erst einmal ihm beichten, warum McKinsey nicht mehr genügte. Warum er weiter musste, um sich zu beweisen, dass er nicht nur Unternehmen beraten kann, sondern es selber als Unternehmer schafft.


«Ich sagte ihm: Das ist eine Furzidee, du vernichtest deine Karriere»,


lacht Claudio Feser heute. «Denn ich wollte nicht, dass er geht. David ist ein Naturtalent, wie es das in unserer Branche vielleicht alle fünf Jahre mal gibt. Nach einem halben Jahr kam er wieder und sagte: ‹Es ist definitiv, ich muss es tun …› Ich habe ihm viel Glück gewünscht – und sofort in sein Projekt investiert.» Natürlich ist Feser des Lobes voll für seinen ehemaligen Schützling. Speiser überzeuge nicht nur durch Intelligenz, eine schnelle Auffassungsgabe oder soziale Kompetenz, sondern auch durch einen sympathischen Humor. «Er würde sich nie über jemanden lustig machen, aber mit seiner gewinnenden humorvollen Art holt er jeden ins Boot. Schon als Berater war er ein Unternehmer: Er sah stets die Opportunität und nicht die Schwierigkeiten. Sein Gedanke ist immer: Wie komme ich dahin, wo ich hinkommen will? Und nicht: Woran könnte ich scheitern?»


↑102 Abschlagplätze auf drei Stockwerken, 40 000 Quadratmeter Land. Gesamtkosten: 50 Millionen Franken.



Speiser nippt an seinem Weinglas und schaut in den Sternenhimmel. «Es ist schon mehr Druck da als Unternehmer, obwohl ich mit Eric Grob einen genialen Partner an meiner Seite habe und wir die Firma inzwischen zu zweit führen. Bei McKinsey waren es zwar lange, sehr intensive Tage, aber letztlich war ich angestellt und bekam einen Lohn. Hier zahlen wir 300 Menschen ein Auskommen. In dieser Anlage steckt ein Investitionsvolumen von 50 Mil-lionen Franken, das Kapital kommt vor allem von Freunden, wir müssen diesem Vertrauen gerecht werden.» Warum tut er sich das überhaupt an? Warum verbringt er den Rest seines Lebens nicht einfach gechillt im Liegestuhl? Er lacht und zitiert Margaret Thatcher, die sinngemäss gesagt haben soll: «Ich kam noch nie nach einem lockeren Arbeitstag heim und war besonders glücklich. Doch wenn ich Probleme lösen, ein Projekt weiter-bringen und einen Unterschied machen kann, dann überkommt mich am Ende des Tages eine enorme Zufriedenheit.»

Von dieser profitiert dann auch Barbara Speiser, seine Frau.

Die beiden wurden zum Paar, kurz bevor David Speiser für sein Studium nach St. Gallen ging, sie haben seine Karriere zusammen gemeistert.

«Anders wäre das gar nicht gegangen», sagt David Speiser. «Barbara hat mir stets den Rücken freigehalten.» Kennengelernt hatten sie sich auf

Barbaras Behandlungsliege, sie ist Physiotherapeutin. Ihr Herz flog ihm sofort zu:


«Als Tessinerin haben mir seine südländische Persönlichkeit, sein Humor, seine lebendige, lockere und offene Art gefallen, er war wie die Zürcher Ausgabe eines Tessiners.»


Und heute, nach 23 Jahren Beziehung, 15 Jahren Ehe und zwei Kindern? Barbara lacht: «Was, wir sind erst seit 15 Jahren verheiratet?» Dann wird sie ernst: «Wir haben das grosse Glück, dass sich unsere Persönlichkeiten in dieselbe Richtung entwickelt haben, das ist nicht selbstverständlich.» Die grösste Stärke ihres Mannes sei, dass er präsent ist und man immer mit ihm reden kann. Dass er zuhört und sofort versteht. «Und dass er ruhig bleibt», lacht sie, da sei er vielleicht eher weniger der Tessiner. «Mit seinem Humor entschärft er Situationen, die eskalieren könnten, und bringt sie auf eine lustige Ebene. Und er interessiert sich für unglaublich viele Dinge. Die Kehrseite der Medaille: Man kommt fast nicht mit. Immer ist da was Neues, über das er alles wissen muss. Er ist zwar ein Geniesser, wenn es um Essen, gute Weine, Zigarren und Oldtimer geht. Aber allzu sehr entspannen und nichts tun, das liegt ihm nicht.»



↑ Ihm fliegt nicht nur die Arbeit um die Ohren: David Speiser im Kubota, der bei vollem Betrieb die Bälle einsammelt, bevor sie in die Reinigung gelangen.



← Über 60 000 Burger pro Jahr und über 360 000 Biere: Oberhausen zählt auch im F&B-Bereich zu den erfolgreichsten Topgolf-Anlagen der Welt.








Die Topgolf-Arena in Oberhausen hat sich geleert, wir nehmen an der Bar noch ein Bier und reden über die Zukunft. Im Moment sind Speiser und Grob mit zwei weiteren Arenen beschäftigt: Bei Wien wird gerade eine alte Hotelüberbauung abgerissen, bis im Herbst 2024 entsteht direkt an einem kleinen See ein Bijou, auf das sich Speiser besonders freut, da es direkt neben dem grössten Kongresszentrum Österreichs und einem Beach Club liegen wird. Und bei Mailand konnte ein Grundstück des ehemaligen Alfa-Romeo-Werks erworben werden. Wenn alles nach Plan läuft, ist 2025 Eröffnung. David Speiser zuckt mit den Schultern:


«Ich brauche wohl einfach das Adrenalin.»

↑ Es ist nie verkehrt, wenn der Chef zeigt, dass er’s draufhat: David Speiser beim Abschlag.


Schon als Kind wusste er, dass er zwei Dinge erreichen will in seinem Leben: Unabhängigkeit – nicht nur in finanzieller Hinsicht, sondern im Sinne aller Möglichkeiten, um auf genau jene Weise für eine Familie und ein Unternehmen sorgen zu können, wie er sich das eben vorstellt. Und: Gestaltungsfreiheit. Etwas erschaffen können, das nachhaltig bleibt.

«Es gibt noch etwas anderes, das ihn schon als Teenager antrieb», sagt Christian Jott Jenny, der St. Moritzer Gemeindepräsident:

«Entertainment! David möchte Menschen erfreuen, sie unterhalten, sie glücklich sehen.» Bereits in der Sekundarschule in Zürich schmiedeten die beiden diesbezügliche Pläne.


Als Speiser endlich 16 wurde, gründete der drei Jahre ältere Jenny mit

ihm Speiser & Jenny Management.


Man organisierte Events, entwickelte Unterhaltungskonzepte, hielt Künstler unter Vertrag.

Später wurde daraus die Swiss Premium Entertainment GmbH. Obwohl Jenny dann ganz auf die Musik setzte und Speiser auf seine Karriere in der Wirtschaft, blieb man sich verbunden, organisierte für den anderen Jubiläen, flirtete mit einer Wiedervereinigung.

Welche Qualitäten er an Speiser besonders bewundere? Jenny muss nicht lange überlegen: «David ist der klassische No-Bullshit-Typ. Sein Wort gilt, er ist zu 100 Prozent zuverlässig, treu, committet. Er vereint jene Charakterzüge, die früher Patrons ausgezeichnet haben, aber leider etwas aus der Mode gekommen sind.»

Und was sind Speisers grösste Macken? Jenny lacht: «Man staunt hie und da, dass bei ihm alles so perfekt durchorganisiert ist, das ganze Leben. David möchte immer gewinnen, bei allem. Dazu braucht er Kontrolle. Er überlässt nichts dem Zufall – nicht mal seine Frisur.»


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